Literarischer Wettbewerb
NachtLichtGedicht

Im Rahmen der Veranstaltung NachtLichtGedicht wurde ein literarischer Wettbewerb ausgelobt. Die Jury hat vier Autoren prämiert: Julia Adam, Karl-Bernd Beierlein, Dr. Florian Franke-Petsch und Sibylle Wagner.

NachtLichtGedicht / Jäten im Paradies

Drei der vier Preisträger:

Dr. Florian Franke-Petsch, Julia Adam, Karl-Bernd Beierlein
Sybille Wagner (nicht auf dem Foto)


In einer Lesung am 17. Oktober 2020 wurden die Werke gemeinsam mit Arbeiten bekannter und weniger bekannter Autoren präsentiert. So entstand ein dichtes Bild zum Thema Nacht und Licht, das auf sprachlich hohem Niveau, Atmosphären und Stimmungen aus unterschiedlichen Zeiten, Kulturen und Gesellschaften entstehen ließ.

An dieser Stelle möchten wir den Autoren danken und ihre Einsendungen vorstellen:

JULIA ADAM

Jungfrau, Mutter, Priesterin.
Heimatloser Himmelskörper.

Du bist
auf ewiger Wanderschaft
altbekannter Wege
jede Nacht verändert
und doch vertraut.

Du wächst
bis zur vollen Blüte,
um zu verlieren
bis in die Unsichtbarkeit
nach innen gekehrter Kräfte.

Immer da
vertraue ich dir meine Geheimnisse an
und du bleibst,
trotz allem,
denn dein Zyklus beginnt erneut.

Magierin, Göttin, Vertraute.
Meine weise Begleiterin.
Meine Mondin

KARL-BERND BEIERLEIN

1 Havel
Woher kommst Du denn ?
bist mal Fluss, mal bist Du See
frei enger Grenzen

2 Havel
Kein Lied höre ich,
von hohem Felsgebirge
Hopfen singt im Wind

3 Havel
Großes Himmelbett
großes Himmelhavelbett
schimmerst Havelblau

4 Havel
Warum denn kein Wein ?
warum nur immer Hopfen ?
doch, bleib wie Du bist!

© Dr. Florian Franke-Petsch, Aug. 2020 / ffp-texte@gmx.net

Erdung durch die Sterne

NACHTS LAG SIE DA, im Liegestuhl – laue Sommerluft und Dunkelheit des Gartens – blickte in den Sternenhimmel und spielte ihr Spiel der Literatur. Nur hier war der Himmel noch so dunkel, die Sterne so klar, sogar die Milchstraße zu sehen. Dort oben funkelten ihre Lieblingsschriftsteller. Deren Namen gab sie den Sternen und ordnete sie dabei so an, dass sie zueinander passten. Viele klare Nächte des Havellands spielte sie bereits dieses Spiel, das die Freude der Erinnerung an gute Lektüre mit der Sinnenfreude des Schauens auf leuchtende Punkte der Unendlichkeit und der naiven Freude des gedanklichen Spiels verband. Mal identifizierte sie benachbarte Sterne und Sternbilder mit Kulturkreisen (»Das ist die englische Literatur, das die deutsche, dort die Russen…«), mal setzte sie Autoren nebeneinander, deren Texte ihr verwandt schienen (»Utopien, weit weg dort hinten. Und Romantiker, hier so nah, fast direkt über mir.«). Sternschnuppen waren für Bestseller, die uns heute nichts mehr zu sagen haben. Schwierig war z.B. die Zuordnung der Dadaisten und Surrealisten, leichter schon die antiken Philosophen und lange wusste sie nicht, wohin mit den Iren (»Diese kleine grüne Insel, auch schon vier Nobelpreise, doch die Größten lebten lieber in der Emigration…«) – aber gerade darin bestand das Spiel: sich immer neu zu überlegen: wer, warum, wo am Himmel stand. So konnte sie die Unendlichkeit dort oben zähmen, Kosmos und Individuum verbinden: Gestirne und Gehirne.
»Hier bist du«, sagte er und reichte ihr ein Glas, »was machst Du?«
»Nichts, ich schaue in die Sterne.«
Unsere Galaxie rotiert um sich selbst. So, wie der gesamte Kosmos sich in zyklischen Bahnen bewegt. Aber der Fluchtpunkt der Rotation ist ein Schwarzes Loch von gigantischem Ausmaß. Das ist der Sinn des Ganzen: In Jahrmilliarden und ein paar Jahrmillionen, für uns unzählbare Vergangenheiten von dort zurück zu uns heute, wird unsere Galaxie, die Milchstraße, mitsamt unserem winzigen Sonnensystem darin, die sich unendlich stetig, unabwendbar, in das Schwarze Loch hineinrotiert, von ihm verschluckt sein, der Ereignishorizont ein letzter winziglanger Widerschein unseres erdenhaften Daseins, wenn alles schon längst nicht mehr ist.
»Wie grauenhaft, sich das vorzustellen! Das ist vielleicht der Sinn von allem, aber doch nicht von unserem Dasein hier!«, sagte er empört. »Neinnein«, erwiderte sie sanft, »unsere Nichtigkeit ist nur der beruhigendste Gedanke unseres lächerlich aufgeblasenen Lebens, von Geld, Macht und Ruhm. Sieh in die Ewigkeit. Sie betrifft dich nicht, dein Leben ist nicht einmal das tausendstel einer tausendstel Sekunde in ihrem Zeitmaß. Setz dich zu mir, lass uns ein paar Minuten dieser unendlichen Endlichkeit des Sternenhimmels genießen.«

SIBYLLE WAGNER

Schlaflos in Tokyo
Erste Nacht in Japan.
sms an meine Tochter.
3.41h… wirklich kein Laut
in dieser großen Stadt.
Ist das die Stille Japans?
Nur das Meer spüre ich
plötzlich
ein Schrei, so laut, so lang.
Stürzt grade einer vom Hochhaus
oder in eine Frau?
Kammerton A
da bin ich mir sicher.

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